„Jobs werden in naher Zukunft durch den technologischen Wandel und die Digitalisierung verloren gehen.“ Diese Aussage geht in letzter Zeit durch die Medien. Manch politische Stimme meinte sogar, dass wir vor einem potenziellen Heer an Arbeitslosen stehen werden und man nur durch massive Sozialleistungen – Stichwort Mindestsicherung – einen Ausgleich schaffen kann.
Ich persönlich glaube daran, dass es zu einem starken Wandel im Jobmarkt kommen wird. Ich bin aber gleichzeitig auch davon überzeugt, dass in Summe die Zahl der benötigten Menschen am Arbeitsmarkt eher steigen wird und dass die wahre Herausforderung und zukünftige Frage am Arbeitsmarkt folgende sein wird: „Wie können wir in ausreichender Zahl qualifizierte Personen für die Zukunft entwickeln und für den Arbeitsmarkt fit machen?“
Ich komme zu diesen Annahmen aus folgenden fünf Gründen:
Globalisierung bzw. Internationalisierung
Unternehmen organisieren sich immer stärker über die Grenzen hinweg. Das heißt Wertschöpfung passiert in aller Regel in jenen Regionen, in denen es mehr Produktivität gibt. Österreich ist gerade als Land der Ingenieure und der grundsätzlich sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter mit hoher Leistungsmotivation prädestiniert dafür, dass mehr Investitionen und damit Wertschöpfung passieren sollte. In Zukunft werden Menschen am Arbeitsmarkt begehrt sein, die international denken, vernetzt sein können und die Ihren Lebensfokus aber auch grenzüberschreitend und flexibel gestalten wollen. Kaufmännische Berufe, Exporthändler, aber auch Ingenieure für internationale Produktion und Logistik werden im Zuge der Globalisierung relevant und gefragt sein.
Digitalisierung
Die Digitalisierung wird sämtliche Geschäftsbereiche in allen Branchen massiv verändern aber auch dort werden eher einfache administrative Tätigkeiten wegfallen und viele neue hochqualifizierte Jobs geschaffen, um diese neuen digitalen Prozesse zu gestalten und weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass es hier zu einer Revolution des Aus- und Weiterbildungswesens kommen muss, um qualifizierte Digitalisierungs-Experten in ausreichender Zahl zu Verfügung zu haben. Diese digitale Revolution muss vom Kindergarten bis ins Rentenalter stattfinden.
Berufe wie IT-Spezialisten, Prozesssprofis aber auch Spezialisierungen in Mathematik, Physik, technische Berufe werden zukünftig noch massiver nachgefragt sein – wir haben aber schon jetzt einen Mangel an ausreichenden KandidatInnen.
Handwerk
Österreich ist aufgrund der Zuwanderung ein wachsendes Land, daher wird auch in den nächsten Jahrzehnten ein massiver Bedarf an Wohnraum, Infrastruktur, Energie etc. bestehen. Außerdem ist der Tourismus einer der Wachstumstreiber der österreichischen Wirtschaft. Diese Gegebenheiten werden den Handwerkern einen goldenen Boden bereiten, weil das klassische Handwerk vermutlich in seiner Leistungserbringung nicht digital ersetzt werden kann.
Soziales
Ich erwarte den größten Wachstumsschub rund um Jobs in den sozialen Berufen. Das würde heißen, dass wir in Wahrheit auch eine Bildungs- und Qualitätsoffensive in allen sozialen Berufen und eine ausreichende Finanzierung benötigen. Die vorher beschriebenen Veränderungen der Arbeitswelt bedürfen eines ständigen Weiterentwickelns und Lernens jedes Einzelnen. Dieser Prozess muss auch von sogenannten Social Workers, seien es Coaches, Psychologen, Trainern oder Lehrern begleitet werden. Auch in den nächsten Jahren werden wir eine weitere Zuwanderung erleben und diese Bevölkerungsgruppen muss man in unsere Gesellschaft und in unsere Wirtschaftswelt integrieren und weiterentwickeln. Auch dafür bedarf es der richtigen Menschen. Weiters werden wir alle älter – gleichzeitig steigen aber auch die Jahre, in denen wir (Pflege-) Hilfe benötigen.
All diese neuen Jobs, die bei der Bewältigung dieser Veränderungen unterstützen sollen, werden zum Teil sicher von Firmen mitfinanziert werden müssen oder es werden Berufe sein, die über Sozialvereine oder direkt über Gemeinden und Communitys zur Verfügung gestellt werden.
In den Sozialberufen sehe ich daher die wahre Revolution – es wird viel mehr Jobs im Sozialbereich geben. Berufe wie Sozialarbeiter, Ärzte, Kranken- und Pflegepersonal, Psychologen, Coaches werden in großer Zahl benötigt werden
Demografischer Wandel
Personen aus den geburtenstarken Jahrgängen der 50er und 60er werden zunehmend in den Ruhestand treten, das führt in den nächsten 5 Jahren in vielen Sektoren zu großen Pensionierungswellen. Dieser Druck, des demographischen Wandels, war in den vergangenen Jahren durch eine eher schleppende Konjunktur nicht sichtbar. Aber wenn es, wie momentan vorhergesagt, zu einem nachhaltigen konstanten Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren kommen wird, dann werden wir diese demographische Lücke massiv spüren. In manchen Sektoren tun wir das bereits jetzt. Daher sehe ich eine geordnete Zuwanderung von „Qualitäts(mit)arbeitern“ sehr positiv.
Ja, die Arbeitswelt wird sich in den nächsten 10 Jahren dramatisch verändern, aber man sollte die Bevölkerung nicht verunsichern und ängstigen in dem man behauptet, dass die Digitalisierung nur Jobs vernichtet – sondern die Arbeitswelt wird sich vielmehr wandeln. Es mag sein, dass gewisse Jobs eventuell wegfallen werden, sich verändern, aber es werden auch neue Jobs entstehen von denen wir jetzt noch keine Vorstellung haben.
Nehmen wir diese Herausforderungen positiv an und sehen wir diese chancenorientiert! Es wird sehr viel Neues entstehen und Berufe werden fließender ineinander gehen. Aber auch staatliche Strukturen (Sozialversicherung, Gewerkschaft, Kammern) müssen langfristig neue Modelle finden oder aufbrechen und sich dem gegenüber anpassen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass der Mensch trotz Digitalisierung und technologischem Wandel immer – und womöglich noch stärker – im Mittelpunkt stehen wird!
Martin Mayer
Managing Director Iventa
Original Presseartikel: derStandard